Alle wollen alt werden, aber keiner will alt sein. Dieser Satz war gestern beim Vortrag „Pflege für die Zukunft - Zukunft für die Pflege“ des baden-württembergischen Ministers für Soziales, Gesundheit und Integration, Manne Lucha, mehrfach zu hören. Das Elias-Schrenk-Haus hatte alle Interessierten ins CafiNo eingeladen, um sich mit dem brisanten Thema auseinanderzusetzen.
Der Minister zeigte sich beeindruckt von den innovativen Maßnahmen des Elias-Schrenk-Hauses, dem wertschätzenden und individuellen Umgang mit den Bewohnern und betonte die Bedeutung solcher Konzepte für die Zukunft der Pflege. Pflegefachkräftemangel, dringend notwendiger Bürokratieabbau und die Notwendigkeit der Vereinfachung des ehrenamtlichen Engagements waren nur einige Aspekte, die Manne Lucha in seinem Vortrag ansprach.
Der Minister verwies in seiner Rede auf die bereits erzielten Erfolge auf Landesebene. Dazu gehöre unter anderem die Förderung von Pflegestützpunkten und von Community Health Nurses, ein Netz von Gemeindeschwestern, wie es der Landkreis Tuttlingen auf dem Heuberg bereits umsetzt. Ein weiterer Erfolg sei eine Entschlackung und Entbürokratisierung des WTPG für eine dringend notwendige Vereinfachung der Umsetzung ambulant betreuter Wohnformen. Dies wird von den Verbänden der Leistungserbringer, wie der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft, schon lange gefordert. Die Neufassung des Gesetzes steht laut dem Minister kurz vor der Verabschiedung.
An der anschließenden Podiumsdiskussion nahmen Marianne Thoma, Leiterin des Pflegestützpunktes des Landkreises Tuttlingen, Joachim Hensler von der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft und Harald Rettenmeier von der AOK Baden-Württemberg teil. Die Moderation übernahm Matthias Jansen von der Schwäbischen Zeitung. Landrat Bär, sowie weitere Vertreter des Landkreises, Vertreter anderer Pflegeeinrichtungen und zahlreiche interessierte Bürger verfolgten mit großem Interesse die Diskussion.
In der Diskussion wurde die Notwendigkeit nach passgenaueren Lösungen für die ganz individuellen Pflegebedarfe der betroffenen Menschen thematisiert. Hierzu braucht es einer Aufhebung der Sektorengrenzen zwischen ambulanten, teilstationären und stationären Leistungen, um das aktuelle komplizierte System durch wenige flexibel einsetzbare Budgets zu ersetzen. Darin waren sich alle Diskussionsteilnehmer einig.
Marianne Thoma wies darauf hin, dass heute schon ein beträchtliches Angebot an Leistungen für pflegebedürftige Menschen zur Verfügung stünde, die Budgets aber oft aus Unkenntnis nicht ausgenutzt würden. Eine Beratung bei der Fachstelle oder durch die Pflegedienste könne da sehr hilfreich sein.
Herr Hessler betonte die nach wie vor hohe Bedeutung stationärer Pflegeeinrichtungen und mahnte einen dringend notwendigen Bürokratieabbau an. Als Beispiel nannte er den Heimvertrag, der inzwischen 23 Seiten zuzüglich 14 Anlagen umfasst, die jedem potentiellen Bewohner erläutert werden müsse.
Bei der Finanzierung der Pflege sind Minister Lucha und auch die anderen Teilnehmer am Podium Verfechter eines notwendigen „Sockel-Spitze-Tausches“. Hierdurch sollen die Eigenanteile bei den pflegebedingten Aufwendungen besser planbar werden. Jeder Einzelne könnte und sollte schon in jungen Jahren finanziell für den Pflegefall Vorsorge treffen. Beim Sockel-Spitze-Tausch geht es darum, einen Sockelbetrag für die pflegebedingten Aufwendungen festzulegen, der von den Versicherten als Eigenanteil zu übernehmen ist. Für alle darüberhinausgehenden notwendigen Kosten würde die Pflegeversicherung aufkommen. Aktuell funktioniert die Pflegeversicherung genau andersherum, was zu unvorhersehbar steigenden Belastungen bei den Versicherten führt.
Es war ein kurzweiliger Abend, der zum Nachdenken anregte. Bekanntlich verdrängt man das Thema Pflege, solange man nicht selbst pflegebedürftig oder indirekt durch Angehörige betroffen ist. Pflege ist zum Teil eine gesellschaftliche Aufgabe, zum Teil aber auch eine persönliche Verantwortung, vorzusorgen und sich rechtzeitig zu informieren. Natürlich war ein Abend viel zu kurz, um alles zu besprechen, auch für die Fragerunde reichte die Zeit leider nicht. Dennoch konnten alle Anwesenden wichtige Impulse mitnehmen. Nach dem offiziellen Teil gab es Gelegenheit zum Austausch, abgerundet durch die köstliche Verpflegung aus der Küche des Hauses.